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Das kongenitale zentrale Hypoventilationssyndrom (CCHS) („Undine-Syndrom“)

Das congenitale zentrale Hypoventilationssyndrom (CCHS) [umgangssprachlich auch Undine-Syndrom genannt] ist eine seltene angeborene Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der neben weiteren Symptomen die autonome Atmungskontrolle gestört ist oder sogar fehlt. Dies bedeutet ganz einfach ausgedrückt, dass CCHS-Patienten sobald sie einschlafen, aufhören zu atmen und auf eine Beatmung angewiesen sind.

Dieses Krankheitsbild wurde 1970 erstmals beschrieben und die Kinderklinik Dritter Orden in München (ehemals Lachnerklinik) hat sich bereits unter der Leitung des damaligen Chefarztes Prof. Dr. Schöber vor über 50 Jahren der Versorgung und Betreuung von Patienten mit CCHS angenommen und spezialisiert.

Inzwischen betreut unser Team der Abteilung Kinderschlaflabor/ Zentrum für außerklinische Beatmung unter der Leitung der Oberärztin Panagiota Chaitidou-Kolb (als Nachfolgerin von Matthias Frerick seit Herbst 2022) über 100 CCHS-Patienten aus insgesamt neun Ländern.
  • Was ist CCHS?
    CCHS ist eine sehr seltene (geschätzte Prävalenz bei Lebendgeborenen 1:200.000), genetisch bedingte, multidimensionale Erkrankung des zentralen Nervensystems, welche in unterschiedlichen Schweregraden auftritt.

    Normalerweise zeigen sich Hinweise das „Undine-Syndrom“ kurz nach der Geburt in Form von langen Atempausen, verminderter Sauerstoffsättigung im Blut, sowie erhöhtem Kohlenstoffdioxid (CO2) auf. Es wurden aber auch milde Formen beschrieben, die dann zu einem späteren Beginn erst diagnostiziert wurden. Diese fallen dann beispielsweise aufgrund Schwierigkeiten bei der Entwöhnung („Weaning“) vom Beatmungsgerät z.B. nach Narkosen oder intensivmedizinsicher Therapie, oder auch aufgrund der Fähigkeit sehr lange tauchen zu können auf.

    Im Vordergrund dieser Erkrankung steht eine komplexe Störung der zentralen Atemregulation. Die meisten Patienten müssen lebenslang im Schlaf beatmet werden, da ihnen der autonome Atemantrieb im Schlaf fehlt. Bei schwerer Ausprägung ist auch tagsüber eine Atemunterstützung oder ebenfalls eine Beatmung rund um die Uhr notwendig.

    Da es sich um eine Erkrankung des autonomen Nervensystems handelt, kann es auch zu weiteren Fehlregulationen autonomer Funktionen kommen, wie der Regulation des Blutdrucks, der Herzfrequenz, der Körpertemperatur, der Schweißdrüsen, der Blasenfunktion oder der Darmtätigkeit. Ein CCHS kann auch gleichzeitig mit einem Morbus-Hirschsprung auftreten (sogenanntes Haddad-Syndrom). Selten leiden Patienten auch unter anderen Begleiterkrankungen wie Wachstumsstörungen oder Refluxösophagitis, vor allem im Säuglingsalter. Auch Epilepsien und Tumore können auftreten (z. B. Neuroblastome).

    Die Patienten benötigen aufgrund ihrer komplexen Erkrankung eine interdisziplinäre Langzeitbetreuung, bei der größten Wert auf die individuelle suffiziente Beatmung gelegt werden muss, um die kognitive Entwicklung und die kardiale Funktion (Gefahr der Rechtsherzbelastung) nicht durch wiederkehrende Sauerstoffunterversorgung zu gefährden. Diese multidimensionale Erkrankung erfordert eine umfassende Betreuung, um so eine koordinierte Diagnostik und ganzheitliche Versorgung zu erreichen.
  • Diagnosesicherung
    Das CCHS ist eine genetisch gesicherte Diagnose. Seit 2003 ist bekannt, dass die Krankheit durch Mutationen im PHOX2B-Gen auf Chromosom 4 verursacht wird. Dieses Gen spielt eine Rolle bei der Embryonal- und Fötalentwicklung des autonomen Nervensystems.

    Bei den meisten Undine-Patienten findet man Spontanmutationen, und zwar Polyalanin-Expansions-Mutationen. Normal sind 20 Wiederholungen der Polyalaninsequenz, bei den Betroffenen findet man 25–33 Wiederholungen. Die Anzahl der Alanin-Wiederholungen korreliert meist mit dem Schweregrad. Das Undine-Syndrom wird dominant vererbt.
  • Beatmungsformen
    Zur Therapie des CCHS bzw. der dauerhaften Behandlung der Hypoventilation stehen verschiedene Atemtherapien zur Verfügung:

    Invasive Beatmung über ein Tracheostoma:
    Über ein künstlich angelegtes Loch im Bereich der oberen Atemwege (Tracheostoma) wird über eine eingelegte (Tracheal-)Kanüle eine ausreichende Beatmung mittels Beatmungsmaschine durchgeführt. Die Beatmung über ein Tracheostoma („invasive Beatmung) war lange die gängigste Behandlungsmethode, insbesondere in den frühen Stadien von CCHS. Diese Methode ermöglicht einen direkten Zugang zu den Atemwegen für eine effektive Beatmung und Notfallmaßnahmen.

    nicht- invasive Maskenbeatmung:
    Diese nicht-invasive Methode ermöglicht die Beatmung über eine Maske. Der Markt bietet viele verschiedene Arten und Formen der Beatmungsmasken wie Nasenmasken, Mund-Nasen-Maske oder auch Totalfacemasken.
    Ein großer Teil der CCHS-Patienten wird im Verlauf (typischerweise im Kindesalter nach dem 5. Lebensjahr), von der Tracheostoma- auf die Maskenbeatmung umgestellt.

    Nervus phrenicus-Schrittmacher („Pacer“):
    Einfach ausgedrückt: Ein Schrittmacher für den Zwerchfellnerv um einen Atemzug auszulösen.

    Diese Behandlung erfordert die operative Implantation eines Empfängers und stimulierenden Elektroden um den Zwerchfellnerv (Nervus phrenicus). Dieser Empfänger wird dann über aufgelegte Elektroden auf der Haut via Radiofrequenzwellen, die von einem externen Gerät (Pacer) erzeugt werden, stimuliert. Durch die Stimulation des Nervus phrenicus zieht sich das Zwerchfell zusammen und ermöglicht den passiven Lufteinstrom in die Lunge (Einatmung). Bei der anschließenden Entspannung nach dem Impuls kann die Luft wieder entweichen (Ausatmung).

    Zwerchfellnerv-Stimulationen werden häufig bei komplexen Kramlheitsverläufen eingesetzt, die über den Schlaf hinaus auch tagsüber eine Atemunterstützung benötigen. Mit Hilfe des Zwerchfellschrittmachers können CCHS-Patienten tagsüber mobil sein und nachts auf eine Heimbeatmung über Maske umgestellt werden.
    Das Klinikum Dritter Orden hat sich mit der ersten Implantation 1980 auf die Implantation und Versorgung von Zwerchfellschrittmachern bei CCHS-Patienten spezialisiert. Inzwischen betreuen wir die zweitgrößte Kohorte an Patienten weltweit nach Chicago.
  • Jährliche Diagnostik
    Bei CCHS ist die jährliche Routinekontrolle wichtig, um atmungsbezogene oder kardiale Veränderungen frühzeitig zu erkennen und die Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern.

    Im Klinikum Dritter Orden werden die CCHS-Patienten einmal im Jahr stationär aufgenommen und folgende Diagnostik durchgeführt:

    • Polysomnographie zur Neueinstellung, Überwachung und Anpassung der Beatmungstherapie, bzw. als Basis einer Diagnosesicherung
    • Bronchoskopie bei Tracheostomapatienten zur Kontrolle der Trachealkanülenlage
    • Lungenfunktionsuntersuchung zur Beurteilung von möglichen Obstruktionen und der Lungenkapazität
    • Labordiagnostik zur Kontrolle u.a. des Blutbildes und der endokrinologischen Laborparameter
    • Herzultraschall zur Herzfunktionskontrolle und zum Ausschluss einer Rechtsherzbelastung
    • Langzeitblutdruckmessung zur Kontrolle des Tag-Nacht Rhythmus
    • EKG / Langzeit-EKG (über 48 Stunden) zum Ausschluss von Herzrhythmusstörungen und Sinuspausen
    • Sonographie des Abdomens
    • ggf. Röntgenthorax
    • ggf. Elektroencephalographie (EEG) bei begleitender Epilepsie
    • Bei Morbus Hirschsprung: ggf. Biopsien, Kolonkontrasteinlauf und operative Resektionen
  • Betreuung
    Als zweitgrößtes Zentrum für außerklinische Beatmung in Deutschland und dem derzeit einzigen Kinderschlaflabor in München, können wir auch dank jahrzehntelanger Erfahrung eine allumfassende Betreuung von CCHS Patienten bieten.

    Die jährlichen Routinekontrollen ermöglichen eine umfassende medizinischer Statuserhebung, so dass der Therapieverlauf genau verfolgt und optimiert werden kann.

    Auch außerhalb des jährlichen stationären Aufenthaltes betreuen wir die Patienten und ihre Familien regelmäßig und intensiv telefonisch, über Schriftverkehr oder über Videocalls, z.B. bei pulmonalen Infekten, die eine Beatmungsoptimierung erfordern, aber auch bei alltags- und altersspezifischen Herausforderungen und Fragestellungen (z.B. Schule, Schulbegleitung, Sport, Flugreisen) sowie bei Gutachten, medizinischen Stellungnahmen und Verordnungen (z.B. zu Beatmungsgeräten, Pflegepersonal und Kostenübernahme).

    Unsere jahrelang betreuten Patienten werden auch nach ihrem Eintritt in die Volljährigkeit nicht im Stich gelassen. Auch über den 18. Geburtstag hinaus führen wir die jährliche stationäre Routinekontrolle in unserer Kinderklinik durch. An einer langfristigen Transition in die Erwachsenenklinik des Dritten Orden München wird derzeit schrittweise gearbeitet. Unser Team ist jedoch auch bei der Aufnahme in der Erwachsenenklinik in engem Austausch mit den behandelnden Ärzten.

    Wir sind auch berechtigt, die gemäß der neuen außerklinischen Intensivpflege-Richtlinie verpflichtende Potentialerhebung, Verordnung und Therapieplan (62A, 62B, 62C) durchzuführen.
  • Undine Selbsthilfegruppen
  • CCHS Leitlinien
Kontakt:

Kinderklinik im Klinikum Dritter Orden
Abteilung Kinderschlaflabor/Zentrum für außerklinische Beatmung/CCHS Zentrum
Menzingerstraße 44
80638 München

Telefon: 0891795-2601
Email: kinderheimbeatmung@dritter-orden.de

Ansprechpartnerin:

Panagiota Chaitidou-Kolb
Oberärztin - Pädiaterin/Neonatologin

Sekretariat für die Terminierung:
Ulrike Fresenius und Natascha Benn